Der 13. Juni 2021 - eine Niederlage mit Folgen
Warum wir ein Jahr nach der Niederlage des CO2-Gesetzes an der Urne und einem zahnlosen CO2-Gesetzesvorschlag dennoch zuversichtlich sind.
103’114 Stimmen. Das gab schliesslich am 13. Juni 2021 den Ausschlag. Das CO2-Gesetz, in das so viele ihre Hoffnungen für eine klimafreundliche Schweiz gesetzt hatten, war abgelehnt. Den Befürwortern fehlten am Schluss gerade mal 1,6 Prozent der Stimmen. Die Gegner hatten die Bevölkerung erfolgreich mit halbwahren Behauptungen verunsichert: sie würden sich das Einfamilienhaus, ihr Auto und ihre Flugreisen nicht mehr leisten können, sollte das Gesetz angenommen werden. Dazu kam eine rekordhohe Stimmbeteiligung auf dem Land, während die Leute in den Städten nur durchschnittlich abstimmen gingen. Kurz: Die Befürworter hatten es versäumt, hier einen strategisch wichtigen Gewinn zu liefern.
Nein spielte Gegner von griffigem Klimaschutz in die Hände
Die Niederlage vom 13. Juni war eine Zäsur in der Schweizer Klimapolitik. Denn Abstimmungsentscheide der Stimmbevölkerung haben im Schweizer Politsystem eine übergrosse Bedeutung. Klar, dass die Gegner eines griffigen Klimaschutzes das Resultat auch gleich als Ablehnung gegen Klimaschutzmassnahmen überhaupt zu deuten versuchten. Gleichzeitig waren aber auch grosse Teile der Gesellschaft enttäuscht, dass es die Schweiz einmal mehr nicht fertigbrachte, als moderner und erfolgreicher Staat eine fortschrittliche Politik zu beschliessen und in seinen Klimaschutzbemühungen zurückfiel.
Einen Rückschlag erlebten wir auch bei POW: Immerhin war die «Vote Now. Ride Later»-Kampagne die erste Abstimmungskampagne, die unser junges und kleines NGO gestemmt hatte. Doch obschon die Resultate der POW-Kampagne mehr als erfreulich waren und eigentlich einen grossen Erfolg darstellten, hatten wir an der Niederlage zu beissen. Sie hatte uns tatsächlich ein wenig aus der Bahn geworfen.
Doch gleichzeitig sahen wir uns darin bestärkt, dass wir uns noch stärker für strenge politische Rahmenbedingungen einsetzen müssen. Da war es nicht verwunderlich, dass uns der neue Entwurf des CO₂-Gesetzes, der eine Woche vor Weihnachten 2021 für die Periode 2025-2030 vorgestellt wurde, eher enttäuscht zurückliess. Angesichts der Abstimmungsniederlage setzte der Gesetzesentwurf des Bundesrates stark auf Auslandkompensationen und hielt zu wenige griffige Instrumente bereit. Sogar der Bundesrat selbst erklärte in den Erläuterungen, dass das Gesetz nicht ausreichen würde, um bis 2030 unsere CO2-Emissionen um 50% zu senken. Ehrlich gesagt, für die weiteren Arbeiten erwarteten wir kaum mehr viel Gutes.
Trotzdem sind wir zuversichtlicher als auch schon
Wenn sich jetzt am 13. Juni 2022 die Abstimmungsniederlage erstmals jährt, so können wir - überraschend - dennoch zuversichtlicher als auch schon in die Zukunft blicken: just ein Jahr und einen Tag nach dem Urnengang kommt nämlich am 14. Juni das Klimarahmengesetz in den Nationalrat. Es ist der der indirekte Gegenvorschlag der Umweltkommission des Nationalrats (UREK-N) zur Gletscher-Initiative. Und genau dieser Vorschlag stimmt uns zuversichtlich.
Wie die UREK-N im Bericht zum Gesetz schreibt, nehme der Entwurf das Kernanliegen der Gletscher-Initiative auf, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Erstmals gibt ein Gesetz auch konkrete Zwischenziele vor, damit wir - die Schweiz, ihre Wirtschaft und Gesellschaft - bis 2050 Netto-Null erreichen: so setzt die Vorlage Zwischenziele für das Jahr 2040 sowie für die beiden Jahrzehnte 2031–2040 und 2041–2050. Ferner sind Richtwerte für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie vorgegeben. Zudem sollen «...im Einklang mit der internationalen Verpflichtung gemäss Übereinkommen von Paris auch Ziele zur Anpassung an den Klimawandel und zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse» festgelegt werden.
Und: Unternehmen und Branchen, so möchte es die Politik, sollen die Dekarbonisierung in der Industrie beschleunigen. Das Mittel? Netto-Null-Fahrpläne, die sie sich vorgeben müssen. Gleichzeitig hofft man auch auf den Beitrag von neuartigen Technologien und Prozesse für den Klimaschutz. Dafür will die Politik während sechs Jahren befristet 1,2 Milliarden Franken aus dem allgemeinen Bundeshaushalt bereitstellen. Damit sollen auch Risiken von Investitionen in öffentliche Infrastrukturbauten abgesichert und Pilotprojekte unterstützt werden können.
In einem Sonderprogramm während zehn Jahren soll der Bund zudem - ergänzend zum Gebäudeprogramm – mit jährlich bis zu 200 Millionen Franken den Heizungsersatz unterstützen. Also raus mit den Ölheizungen, rein mit den Wärmepumpen! Schliesslich sollen Bund, Kantone und Gemeinden bei der Verminderung der Treibhausgasemissionen und der Anpassung an den Klimawandel eine Vorbildfunktion einnehmen und die zentrale Bundesverwaltung soll bis 2040 Netto-Null erreichen.
Klimarahmengesetz hat Chancen, könnte aber erneut an der Urne enden
Erste Zeichen aus dem Parlament deuten darauf hin, dass das Gesetz gute Chancen hat, bis Ende Jahr verabschiedet zu werden. Auch der Bundesrat unterstützt das Gesetz in seinen Grundzügen und hat nur wenige Einwände dagegen. Doch gewonnen ist noch nichts, sogar wenn das Gesetz noch dieses Jahr verabschiedet wird, bestünde die Möglichkeit, dass das Referendum dagegen ergriffen werden könnte. Und wir noch einmal über das Klima abstimmen.
Wir bleiben dran und begleiten die Beratungen im Parlament in den nächsten Monaten. Erste Kontakte mit Nationalrätinnen und -räten haben am Rande der Sommersession im Bundeshaus stattgefunden. Wir wollen sicherstellen, dass die Stimme der Outdoor-Community auch in der Wandelhalle gehört wird. Vor allem, wenn es um dieses wichtige Gesetz geht, das vorwärts macht mit dem Klimaschutz in der Schweiz.