Nationalrat sagt Nein zur Gletscher-Initiative
Nach der Veröffentlichung des neuesten IPCC-Berichts wurde die Gletscher-Initiative im Nationalrat behandelt.
Es war eine ereignisreiche Woche für die Klimadebatte in der Schweiz. Am Montag veröffentlichte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) den zweiten Bericht seines sechsten Bewertungszyklus. Dieser befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Menschen und Ökosysteme. Die Ergebnisse sind alarmierend: Etwa 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben derzeit in einer Region, in der sie besonders anfällig für negative Folgen des Klimawandel sind. Gerade Bergregionen sind besonders gefährdet, so dass der Verlust von Gletschern in den Alpen, den Anden und dem Himalaya zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr aufgehalten werden kann. Die Experten sind sich einig, dass noch nicht alles verloren ist. Doch die Menschheit muss schnell handeln. Wie kann dieses Handeln aussehen? Der Nationalrat befasste sich in der laufenden Frühlingssession mit der Gletscher-Initiative und dem direkten Gegenvorschlag des Bundesrates.
Zur Erinnerung: Was ist die Gletscher-Initiative?
Die Gletscher-Initiative, die am 27. November 2019 mit über 113'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht wurde, bringt die Schweiz auf den Weg zu einem wirksamen Klimaschutz, indem sie die rechtlichen Grundlagen für den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger und das Erreichen einer Netto-Null-Gesellschaft schafft. Getragen von einem breiten Komitee von Bürgerinnen und Bürgern fordert sie bis 2050 den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle, eine mindestens lineare Reduktion der Treibhausgasemissionen auf eine Netto-Null sowie verlässliche Rahmenbedingungen, die Berechenbarkeit für Gesellschaft und Wirtschaft bringen.
Nein zur Initiative, Ja zum direkten Gegenvorschlag
Heute folgte der Nationalrat nach mehr als sieben Stunden Debatte seiner vorberatenden Kommission und lehnte die Gletscher-Initiative ab. Obschon man ihn erwarten musste, ist der Entscheid trotz allem enttäuschend. Immerhin sprach sich die kleine Kammer für den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates aus. Während das Alternativkonzept der nationalen Exekutive zwar eine gleichmässige Verteilung der Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase bis 2050 vorsieht - ein erstes ermutigendes Signal -, will der Bundesrat kein explizites Verbot fossiler Brennstoffe. Die Exekutive zieht es vor, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu fördern, sofern dieser sozial und wirtschaftlich tragbar ist. Ein deutlicheres Bekenntnis zum Klimaschutz wäre aber genau das, was wir heute zwingend brauchen würden. Die Gletscher-Initiative ist in diesem Sinne das klimapolitische Minimum, damit die Schweiz ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen von 2015 einhalten, einen Temperaturanstieg von mehr als 1,5°C verhindern und unsere Lebensgrundlage erhalten kann.
Was jetzt?
Der Ball liegt nun beim Ständerat, der in den kommenden Monaten über die Gletscher-Initiative und den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates abstimmen wird. Parallel dazu arbeitet die für Umweltfragen zuständige Kommission des Nationalrats (UREK-N) an der Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags, die im Herbst 2021 begonnen wurde. Da ein indirekter Gegenvorschlag auf eine Gesetzesänderung und nicht auf eine Verfassungsänderung abzielt - im Gegensatz zum Text der Initiative - würde er Raum für eine schnellere Umsetzung bieten. Angesichts der Dringlichkeit des Klimaschutzes eine bevorzugte Lösung, sofern der neue Text Ziele setzt, die den aktuellen Herausforderungen gerecht werden: Wir brauchen schnell ehrgeizige Massnahmen zum Schutz des Klimas.
Bild ©Ramon Lehmann