Politik: Schlechter Herbstbeginn für das Klima
Nein zu mehr Schutz der Biodiversität, Budgetkürzungen, Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts und Liberalisierung des Flugverkehrs: Der politische Herbst hat die Klimapolitik nicht verschont. Wir ziehen mit Ihnen Bilanz.
Der Kampf um die Biodiversität geht weiter
Die Initiative für Biodiversität ist an der Urne gescheitert. 63% der Schweizer Bevölkerung stimmten gegen die Initiative, die mehr Fläche und finanzielle Mittel für den Artenschutz forderte. Erste Analysen zeigen ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Ängste um die landwirtschaftliche Produktion oder die Stabilität der Energieversorgung sprachen für ein Nein.
Die Ablehnung der Initiative darf jedoch nicht über die Realität der Biodiversitätskrise hinwegtäuschen. Der grossflächige Verlust ganzer Ökosysteme schreitet immer schneller voran und bedroht unsere gemeinsame Lebensgrundlage. Wir alle sind direkt betroffen, denn es geht um unsere Gesundheit, unsere Ernährungssicherheit und unseren Schutz vor Naturkatastrophen, wie wir sie diesen Sommer erlebt haben.
Der Aktionsplan 2025-2030 des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) sieht eine drastische Kürzung der Mittel für die Biodiversität vor. Diese Strategie des Departements von Bundesrat Albert Rösti ist inakzeptabel. Es ist höchste Zeit, dass auch die Bundesbehörden das Ausmass der Herausforderung erkennen und sich zu entschlossenem Handeln zum Schutz der Biodiversität verpflichten.
Nein zu Einsparungen beim Klimaschutz
Das politische Geschehen der letzten Wochen war geprägt von der Bekanntgabe des Sparpakets des Bundesrates zur Sanierung der Staatsfinanzen. Mit rund 60 Massnahmen soll der Bund rund 4 Milliarden Franken pro Jahr einsparen. Ein Viertel der vorgeschlagenen Einsparungen würde direkt die Klimapolitik betreffen.
Das Gebäudeprogramm soll um 400 Millionen Franken gekürzt werden, was unter anderem die Streichung von Fördergeldern zur Folge hätte, mit denen Hauseigentümer motiviert werden sollen, ihre Heizungen durch klimafreundliche Anlagen zu ersetzen. Diese Nachricht ist schwer zu akzeptieren, wenn man bedenkt, dass der Austausch von Heizungen dreimal schneller erfolgen muss als heute, damit die Schweiz ihre Klimaziele erreichen kann.
Von den Budgetkürzungen betroffen wäre auch die Finanzierung der Infrastruktur der Eisenbahnen. Die ab Januar 2025 vorgesehenen Subventionen von jährlich 30 Millionen Franken für den Ausbau internationaler Bahnlinien werden nicht ausbezahlt. Nachtzugangebote nach Rom oder Barcelona könnten so nie realisiert werden. Wettbewerbsfähige und nachhaltige Alternativen zum Flugverkehr sind aber entscheidend, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu ermöglichen.
Beim Klimaschutz sparen und die ohnehin schon ungenügende Klimapolitik der Schweiz noch weiter schwächen? Die Antwort lautet: Nein! Die Vorschläge des Bundesrates werden Anfang 2025 in die parlamentarische Vernehmlassung geschickt und anschliessend im Parlament diskutiert. Je nach Resultat ist ein Referendum nicht ausgeschlossen.
Parlament schränkt das Beschwerderecht von Organisationen ein, unterstützt aber den Flugverkehr
Die parlamentarische Herbstsession im September lief zwar etwas im Schatten anderer aktueller Ereignisse, war jedoch in vollem Gange. Zwei Themen standen dabei besonders im Fokus.
Zum einen haben Umweltorganisationen künftig weniger Beschwerderecht mehr gegen kleinere Bauvorhaben in Bauzonen mit einer Fläche von weniger als 400 m2. Vor dem Hintergrund der Wohnungsknappheit soll diese Neuerung die Bewilligungsverfahren beschleunigen und den Bau neuer Wohnungen erleichtern. Dies rechtfertigt jedoch nicht, den Handlungsspielraum der Umweltorganisationen einzuschränken. Denn auch kleine Projekte können negative Auswirkungen auf Landschaft und Natur haben.
Auch im Verkehrsbereich haben das Parlament ihre Unterstützung für die Luftfahrt bestätigt, indem sie entschieden haben, das Steuerprivileg für die Luftfahrt beizubehalten. Die Luftfahrt profitiert weiterhin von einem erheblichen Steuervorteil, da sie von der Mineralölsteuer ausgenommen ist. Dies stellt eine versteckte Subvention dar, die angesichts der Tatsache, dass dieser Sektor 27 Prozent der Klimabelastung der Schweiz verursacht, heute kaum noch zu rechtfertigen ist. Die Abschaffung dieser Sonderregelung würde nicht nur die Bundeskasse entlasten – ein wichtiger Aspekt in Zeiten von Sparmassnahmen – sondern auch die Forschung an erneuerbaren synthetischen Treibstoffen fördern.
Seit einigen Monaten macht sich der Einfluss der Parlamentswahlen vom Herbst 2023 und des Amtsantritts von Albert Rösti als UVEK-Vorsteher bemerkbar. Die Schweizer Klimapolitik bekommt dies leider zu spüren. Mehr denn je braucht es eine neue Perspektive, damit die Schweiz eine glaubwürdige, ambitionierte und zukunftsgerichtete Antwort auf die Herausforderung der Klimakrise geben kann.
Quellen
https://www.tagesanzeiger.ch/abstimmung-biodiversitaet-staedte-kritisieren-roestis-plan-179514099948
https://www.tagesanzeiger.ch/bundesrat-sperrt-geld-fuer-nachtzuege-per-sofort-421139764379
https://umweltallianz.ch/fr/points-de-vue/
Bild: Filip Zuan