Grenzenlos unterwegs: Tobias Renggli über Radfahren, Bergsteigen und Naturerlebnisse

Grenzenlos unterwegs: Tobias Renggli über Radfahren, Bergsteigen und Naturerlebnisse

Erschienen am: 15.10.2024

Der 21-jährige Tobias Renggli durchquerte Europa mit dem Velo und bestieg in jedem Land den höchsten Gipfel – ganz allein und ohne motorisierte Unterstützung. Diesen Sommer bestieg er alle Kantonsgipfel der Schweiz. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen und spricht über die Natur als Kraftquelle.

Autor:in: Team POW

Tobias Renggli ist 21 Jahre alt und hat schon so einiges erlebt. Als Achtzehnjähriger radelte er sieben Monate lang durch Europa. Sein Ziel: In jedem der 44 Länder in die Hauptstadt und auf den höchsten Berg – nur mit dem Fahrrad und zu Fuss, ganz allein.
Über sieben Monate hinweg legte er durchschnittlich 180 Kilometer und 2'000 Höhenmeter pro Tag zurück. Dabei war er komplett auf sich gestellt, schlief unter freiem Himmel und trug seine komplette Ausrüstung, von Schlafsack bis Eispickel, bei sich.

Diesen Sommer wiederholte er die Reise, dieses Mal in einer Schweizer Edition. Innerhalb von drei Wochen bestieg er den höchsten Berggipfel in allen 26 Kantonen und hat nebenbei noch das beste Gipfeli der Schweiz gesucht – und gefunden!
Tobias' Geschichte ist inspirierend. Ohne Motor, nur durch seine eigene Kraft, überquerte er unzählige Kantons- und Landesgrenzen und zeigte dabei, dass echte Grenzen oft nur im Kopf existieren. Im Interview teilt er seine Erlebnisse und spricht über die Rolle von Natur und Nachhaltigkeit auf seiner Reise.

Tobias, du hast jetzt schon zwei Touren in einem ähnlichen Stil gemacht, welche hat dir besser gefallen?
Die beiden Touren lassen sich nur schwer miteinander vergleichen! Die Europatour war offensichtlich viel länger, dadurch auch vielseitiger, intensiver und es war meine erste richtig grosse Reise. Das erste Mal hat immer etwas Magisches und dieses Gefühl wird immer schwächer, umso mehr Erfahrung man sammelt. Es war wohl die bereicherndste Zeit in meinem bisherigen Leben. Gleichzeitig auch die anstrengendste und intensivste. Vor allem aber auch die wahrscheinlich schönste!
Auch die Kantonsgipfelitour war körperlich herausfordernd und wunderschön. Speziell war, dass alles quasi direkt vor der Haustür war und ich nicht weit wegreisen musste. Insgesamt war das aber mehr so ein kleines, spontanes Projekt für in der Lernphase, nicht zu vergleichen mit der Europatour.

Was reizt dich an diesen Touren/Herausforderungen?
Es ist super simpel! Man braucht nicht viel und ohnehin ist das Velo mein liebstes Transportmittel auf Reisen. Schnell genug, um vorwärts zu kommen; langsam genug, um alles – Landschaften, Gerüche, Geräusche, Menschen – rund um einen herum intensiv wahrnehmen zu können. Und in die Berge geht es halt nur zu Fuss. Durch diese sehr simple, irgendwie aber auch ästhetische Kombination aus Rennrad und Alpinismus, durch das Verbinden von urbanen Gebieten rund um die Hauptstädte und den bergigen Regionen rund um die Landeshöhepunkte bekommt man einen guten Einblick in ein Land. Und es bringt eine schöne Abwechslung mit sich. Zudem bewege ich mich einfach sehr gerne, am liebsten natürlich in den Bergen.

Wie hast du es geschafft, täglich durchschnittlich 180 km und 2'000 Höhenmeter zurückzulegen? Was war für dich die grösste sportliche Herausforderung?
Vorab: Ich komme ursprünglich aus dem Leistungssport im Berglauf. War U20 Schweizermeister und Mitglied im Nationalkader. Von dort habe ich eine gewisse athletische Grundlage, vor allem habe ich dadurch aber meinen Körper auf allen Ebenen besser kennen gelernt und weiss dessen Signale sehr gut zu deuten. Zusätzlich kenne ich die Grenzen meines Körpers auch, weil ich es zwischendurch auch mal zu weit getrieben habe.
Schlussendlich muss man in kleinen Schritten denken, das (viel zu) grosse Ganze herunterbrechen in Teilziele. Und 180km sind ja bloss 9h mit 20km/h, was gut machbar ist :) Herausfordernd war vor allem die Dauer der Tour. Und die nicht allzu erholsamen Nächte draussen, ohne Zelt, sondern nur mit Schlafsack und Isomatte.
Rein sportlich gab es aber sicherlich noch anspruchsvollere Touren. Letzten Sommer fuhr ich beispielsweise in einem Tag von zu Hause in Luzern nach Paris, kürzlich in zwei Tagen von daheim nach Barcelona – über 1'000 Kilometer in zwei Tagen. Das sind kürzere, jedoch intensivere Herausforderungen für den Körper.

Wenn man so viel Zeit in der Natur verbringt, sieht man natürlich auch viel mehr von seiner Umgebung. Gab es bestimmte Momente oder Erlebnisse in der Natur, die dich besonders berührt oder inspiriert haben?
Ich gehöre auf jeden Fall in die Berge, fühle mich nicht allzu wohl in Städten. Vor allem Sonnenauf- und Untergänge geniesse ich immer besonders fest. Die höchsten Berge in allen Ländern Europas könnten unterschiedlicher kaum sein, da gab es schon auch einige spezielle Momente. In Skandinavien hatte ich mit Schneestürmen, eisigen Temperaturen und extremer Abgeschiedenheit zu kämpfen, das hatte etwas sehr Inspirierendes, tagelang einfach so weit weg jeglicher Zivilisation zu sein, ganz auf mich allein gestellt. Oder der Gran Paradiso (4061m) in Italien, der Abschluss der siebenmonatigen Europatour, das war ein emotional wunderbarer Moment! Auch die vielen Nächte unter dem Sternenhimmel waren magisch.

Spielt das Thema Klimawandel dabei auch eine Rolle für dich?
Absolut! In den Bergen und speziell auf den Gletschern, bekommt man den Klimawandel sehr intensiv zu spüren. Ein schöner Nebeneffekt des «CO2-freien» Reisen ist, dass man Emotionen und Gefühle viel intensiver erlebt, weil man alles aus eigener Körperkraft geschafft hat. Aber ich bin nicht unbedingt jemand, der über den Klimawandel und Umweltschutz predigt. Anstelle von Worten versuche ich lieber Mitmenschen durch meine Projekte und Touren dazu zu motivieren, mehr aus eigener Körperkraft zu reisen und aufzuzeigen, dass es direkt vor unserer Haustür auch sehr schön – wenn nicht sogar am schönsten – ist!

Gab es während deiner Tour Momente, in denen du den direkten Einfluss von Umweltverschmutzung oder Klimawandel auf die Natur beobachten konntest?
Auf jeden Fall. Es gibt nicht wenige Länder – im Balkan beispielsweise – wo haufenweise Müll auf und neben der Strasse liegt. Tonnenweise. Fürchterlich!
Besonders zu spüren, bekommt man den Klimawandel natürlich in den Bergen, insbesondere auf den dahinschwindenden Gletschern. Das hat und wird vor allem auch in Zukunft viele Bergtouren massiv verändern – nicht unbedingt in eine positive Richtung. 

Wie siehst du die Rolle von Outdoor-Sportler:innen im Kontext des Klimawandels?
Ich denke wir haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Umfeld, den wir positiv nutzen sollten. Das muss nicht durch Worte sein, ich finde ein nachhaltiger, umweltbewusster Lifestyle und ökologisch sinnvolle Abenteuer viel inspirierender und prägender als Worte!

Was hast du auf deinen Touren gelernt, was du gerne anderen Outdoor-Begeisterten Menschen mitgeben möchtest?
Man muss nicht weit weg um schöne Sachen zu erleben. Die Möglichkeiten in der Schweiz sind grenzenlos! Und man braucht nicht viel, auf materieller Ebene. Ich würde sogar behaupten, dass je weniger man dabei hat und simpler die Reise ist, umso grösser ist schlussendlich das Abenteuer.

Du gehst nun bald auf Vortragstour und erzählst von deinen Erlebnissen. Was dürfen die Leute von deinen Vorträgen erwarten?
Der Vortrag ist eine «Reise» durch 44 Länder, 36'000 Kilometer voller Herausforderungen und Glücksgefühlen. Ich erzähle von meinen Abenteuern und Erlebnissen, von Begegnungen, Fehlern, Gedanken, Erkenntnissen und Grenzerfahrungen. Möglicherweise auch etwas unterhaltsam… Im zweiten Teil zeige ich noch den Film von der Kantonsgipfelitour diesen Sommer. Vorbei kommen lohnt sich!

Vielen Dank für den Austausch Tobias. Wir sind auf jeden Fall schon sehr gespannt, was wir in deinem Vortrag noch alles über deine Abenteuer hören werden.

Tobias Renggli wird mit seiner Vortragsreihe «Über Alle Grenzen» im Rahmen der Explora Events vom 10. Januar bis 31. Januar 2025 in der ganzen Schweiz unterwegs sein. Sichere dir jetzt ein Ticket auf der Website: https://www.explora.ch/programm/ueber-alle-grenzen. 

Fotos von Tobias Renggli