Herbstsession: Fortschritte im Klimaschutz und beim Ausbau der Solarenergie, Umweltschutz unter Druck
Die Klima- und Energiepolitik stand im Zentrum der Herbstsession, die am vergangenen Freitag zu Ende ging. Wir rekapitulieren die wichtigsten Beschlüsse im Klima- und Energiebereich und ordnen ein.
Der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative kommt zustande – Referendum angekündigt
Der Ständerat hat den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative ohne wesentliche Änderungen im Vergleich zur nationalrätlichen Version vom Juni angenommen. Dieser Erfolg war nicht selbstverständlich, dementsprechend nervös waren die Befürworter des Gesetzes im Vorfeld der Beratungen.
Das neue «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG)» legt konkrete Massnahmen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen auf Null bis 2050 fest. Im Gegensatz zur Initiative enthält das neue Rahmengesetz kein explizites Verbot fossiler Energien, sondern wirkt per Förderprogramme: Über einen Zeitraum von zehn Jahren sind zwei Milliarden Franken vorgesehen, um Anreize zu schaffen für den Ersatz von fossilen Heizungen sowie 1,2 Mia. für Innovation. Die Gelder für den Heizungsersatz haben im Ständerat am meisten zu reden gegeben, doch schliesslich fand sich eine Mehrheit für die Schaffung dieser Fördermassnahme.
Nach diesem Durchbruch hat das Initiativkomitee wie versprochen einen bedingten Rückzug der Initiative angekündigt. Demgegenüber will die SVP nun gegen das Gesetz das Referendum ergreifen. Wir erwarten eine Abstimmung über das Gesetz im Juni 2023. Unter dem einfachen wie auch irreführenden Titel «Stromfresser-Gesetz» macht die Rechte heute schon Stimmung gegen den kompromissorientierten Gegenvorschlag.
Energiepolitik: Platz für Solarenergie, doch welcher Platz für den Umweltschutz?
Nach Jahrzehnten politischen Stillstands kommt endlich Fahrt auf für die erneuerbaren Energien, insbesondere für die Solarenergie. In einem extrem schnellen Prozess – das Gesetz wurde während der Session eingebracht, beraten und verabschiedet – wurden Rahmenbedingungen geschaffen für den Bau von grossflächigen Photovoltaikanlagen.Insbesondere zwei Massnahmen waren Gegenstand heftiger Diskussionen: die Pflicht, neue Gebäude mit einer Solaranlage auf dem Dach auszustatten, und die Aufweichung des Umweltschutzes beim Bau von grossen Photovoltaikanlagen, insbesondere in den Alpenregionen.
Zum Leidwesen der Grünen gilt die Solarpflicht letztlich nur für Neubauten mit einer Fläche von mehr als 300m2. Diese Einschränkung schliesst 70 Prozent der potenziellen Flächen aus, darunter die meisten Einfamilienhäuser. Die Grünen hatten die Mindestfläche auf 100m2 senken wollen. Grosse alpine Solarparks – wie die im Wallis in Gondo und Grengiols geplanten – werden nun als von nationalem Interesse eingestuft und können somit kantonalem Recht vorgehen.
Das Gesetz ist auch bezüglich Naturschutz und Raumplanung eher problematisch, denn eine Planungspflicht ist nicht mehr nötig. Zudem geht die Erzeugung von Energie dem Interesse des Naturschutzes vor, diese Änderung der Interessenabwägung ist rechtsstaatlich fragwürdig. Hingegen wird wenigstens weiterhin eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert, nachdem diese in einem ersten Entwurf gestrichen wurde.
Der Strom versus Umwelt-Konflikt wäre nicht nötig
Wie weit ist man bereit, beim Umweltschutz Zugeständnisse zu machen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben? Für die bürgerliche Mehrheit in der vorbereitenden Kommission des Ständerats gilt: Solange die Ziele für die Energieentwicklung nicht erreicht sind, wird der Naturschutz der Stromproduktion untergeordnet. Im Rahmen der ersten Beratungen über den sogenannten Mantelerlass (Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes) schlug die entsprechende Kommission vor, den Bau von Kraftwerken in Biotopen von nationaler Bedeutung in Betracht zu ziehen und Teile des Gewässerschutzgesetzes, insbesondere in Bezug auf die Restwassermengen von Staudämmen, aufzuheben.
Der Ständerat entschied sich schliesslich für eine Interessenabwägung: Erneuerbare Energien müssen zwar schnell ausgebaut werden, aber die Stromerzeugung darf nicht völlig über den Umweltschutz gestellt werden. Eine Mehrheit lehnte es ab, die Restwassermengen der Flüsse zu senken, entschied sich gleichzeitig aber dafür, die Möglichkeit für den Bau von Wasser-, Wind- und Solaranlagen in streng geschützten Regionen wie dem Maderanertal, dem Val Roseg oder der Greina offen zu halten. In Bezug auf den letzten Punkt zählen wir darauf, dass der Nationalrat den Kurs korrigiert. Der Zufall will es, dass der Nationalrat in der vergangenen Session über die Biodiversitäts-Initiative debattiert hat, die einen stärkeren Schutz der Artenvielfalt fordert.
Gemischte Bilanz der Herbstsession
In der vergangenen Session haben wir grosse Schritte vorwärts gemacht haben, aber auch einige zurück. Während wir zufrieden sind, dass der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative nicht verwässert wurde, finden wir es natürlich bedauerlich, dass die Ratsrechte schon wieder das Referendum gegen ein Klimagesetz ergreift. Kommt dazu, dass das Gesetz auf Ausgleich bedacht ist: kein Verbot der Fossilen, Förderung für innovative Unternehmen und Technologien, Unterstützung für Private, die ihre Heizung umrüsten wollen und nicht zuletzt ein Ziel, das in Einklang steht mit unseren Verpflichtungen des Pariser Abkommens.
Was die Entscheide bei der Solar-Offensive anbelangt, muss festgehalten werden, dass dies ein wichtiger, grosser Schritt in die richtige Richtung ist. Dennoch muss zwingend das Umwelt- und Verbandsbeschwerderecht eingehalten werden, auch wenn die derzeitigen Umstände mit einer drohenden Strommangellage besondere Massnahmen verlangen. Die Frage bleibt, wie schnell solche Anlagen überhaupt gebaut werden können und vor allem, welche Auswirkungen sie auf die Biodiversität haben. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass mit der partiellen Solarpflicht eine grosse Chance verpasst wurde, um endlich unsere Abhängigkeit von fossilen Energiequellen rasch zu verringern.
Die Diskussionen haben gerade erst begonnen, die nächsten Monate werden für die Klima- und Energiepolitik der Schweiz spannend bleiben.