Frauen im Bergsport: Interview mit Ariane Stäubli

Frauen im Bergsport: Interview mit Ariane Stäubli

Erschienen am: 09.03.2021

Was ein Bergsteiger ohne Bart der nicht gross und kräftig ist?

Für Bergsteiger waren Felsspalten und glatte Wände, die grösste Hürde zum Gipfel. Für Frauen war es jedoch die Rolle in der Gesellschaft. In der Schweiz gibt es 1250 Bergführer darunter nur 39 Frauen. Dies hat bestimmt auch mit dem Bild zu tun, wie in den Augen der Gäste ein Bergführer auszusehen hat: Sie stellen sich einen grossen, kräftigen und stämmigen Mann mit Bart vor.

BERGSTEIGERINNEN IN RÖCKEN EROBERN DIE GIPFEL

1871 bezwang Lucy Walker als erste Frau das Matterhorn, wogegen viele Alpinisten in den vergangene Jahren abgestürzt sind. Und dies wie es sich für eine Dame in dieser Epoche gehörte mit einem langen Rock. Nebst Lucy gab es noch weitere mutige Frauen, welche ebenso vernarrt waren in die Berge. Doch Frauen hatten zu dieser Zeit in den Bergen nichts verloren. Ihre Leistungen wurden verschwiegen, lächerlich gemacht und ignoriert.

Über hundert Jahre nach Lucy Walkers Aufstieg auf das Matterhorn, bezwang Lynn Hill mit «The Nose» eine der schwersten Routen der Welt - als erste Person und schaffte somit, woran alle Männer vor ihr gescheitert sind.

DER WEG EINER BERGFÜHRERIN

Bis Anfang der 1980er Jahre verweigerte der Bergführerverband Frauen die Ausbildung. Auch heute sind sie rar in diesem Beruf. Nur gerade 3% aller Bergführer*innen sind weiblich. Eine davon ist Ariane Stäubli, die auch Teil der POW Guide Alliance ist. Ariane stand uns für ein paar Fragen zum aktuellen Frauenbild im Bergsport zur Verfügung.

Wieso hast du dich für den Beruf als Bergführerin entschieden? 

Ich bin sehr gerne in den Bergen, da ich seit je her eine grosse Faszination für die Natur habe. Als Bergführerin möchte ich diese Freude weitergeben und Menschen glücklich machen.

Gibt es Vorurteile, die dich stören gegenüber Frauen im Bergsport?

Ich bin bis jetzt wenigen Vorurteilen begegnet. Einmal habe ich einen Gast am Bahnhof in Empfang genommen und er war sehr überrascht, dass da eine Frau steht. Geplant war die Besteigung des Eigers und er hatte Angst, dass ich ihn nicht halten kann. Mit Ruhe und Fachkompetenz konnte ich ihm schnell das Gegenteil beweisen und seine Befürchtungen haben sich in Luft aufgelöst. Es gibt schon Gruppen, bei denen man sich zu Beginn mehr beweisen muss aufgrund des Geschlechts. Es gibt aber auch Gästegruppen, die spezifisch eine Bergführerin für ihre Touren suchen.

Hattest du bereits negative Erfahrungen gemacht mit Sexismus in deinem Beruf?

Nein - natürlich werden vielfach Sprüche geklopft, aber diese kann ich meist ohne Probleme kontern. Wo ich noch Verbesserungspotenzial sehe ist bei der Gestaltung der Ausbildung eines/r Bergführer*in. Die ganze Ausbildung wird von Männern gestaltet und daher oft auf die körperliche Verfassung ausgelegt; Schnelligkeit und Kraft sind oftmals wichtiger als soziale Faktoren. Sozialkompetenz sollte in der Ausbildung mehr gewichtet werden. Faktoren wie Gruppendynamiken erkennen oder aus Fehlern lernen sind Punkte, die in der Ausbildung noch zu kurz kommen. Doch ein Wandel ist auch dort im Gang.

 Hast du über die Zeit einen Wandel bei der Wahrnehmung/Akzeptanz einer Frau im Bergsport festgestellt?

Als Frau im Bergsport ist man heutzutage weniger exotisch als noch bei meinen ersten Touren. Am Anfang wurden ich und meine Kolleginnen bei Touren viel zu unserem Können gefragt, da wir als reine Frauenseilschaft unterwegs waren. Heutzutage ist Bergsteigen ein Sport für beide Geschlechter, nicht nur ein Männersport. Je weiter man jedoch hochgeht, sei es am Berg oder in der Hierarchie des Bergführerverbands, desto weniger Frauen findet man. Je mehr Frauen wir an der Basis sind, desto mehr Frauen finden hoffentlich den Weg nach oben. So steht dem Bergführerverband seit kurzem eine Frau als Präsidentin vor.

Hast du einen Wandel wahrgenommen bezüglich dem Selbstbewusstsein der Frauen im Alpinismus?

Die Frauenthematik ist stark aufgekommen und es wird darüber geredet. Man sieht auch mehr Frauen auf Touren. Ich versuche, wenn ich eine Ausbildung leite, bei denen Frauen teilnehmen, diese zu fördern und ihr Selbstbewusstsein für ihr Können zu stärken. Letzten Herbst hatte ich in einer Ausbildung eine reine Frauengruppe, dies hat «gefegt» und eine super Dynamik ergeben. Es freut mich auch, dass jüngere Alpinistinnen bereits ein hohes Selbstbewusstsein mitbringen.

Gibt es Sachen die Frauen aufgrund von ihren körperlichen Eigenschaften im Bergsport nicht schaffen?

Nein, jede Frau sucht ihre passende Nische. Zierliche Frauen suchen sich andere Herausforderungen als solche, die gerne Handwerklich agieren und helfen Klettersteige zu bauen. Frauen schaffen alles, was die Männer auch machen. 

Gibt es Sachen die Frauen besser können/machen als Männer im Gebirge?

Frauen müssen oftmals taktisch stärken sein, da sie nicht immer alles mit ihrer Kraft richten können. Aber grundsätzlich kommt es auf den Menschen hinter dem Geschlecht an. Jede Person ist individuell und es gibt auch unter den Bergführern starke Unterschiede. Es gibt diejenigen, welche beim Gletscher ein Vortrag über Gletscherflöhe halten, es gibt aber natürlich auch die, welche in einem Affenzahn über den Eiger rennen.

Gibt es noch Verbesserungspotenzial hinsichtlich dem Bewusstsein für das weiblichen Geschlecht im Alpinismus? 

Es braucht mehr Ausbildnerinnen, welche auf jeder Stufe die Spielregeln und Strukturen mitgestalten. Will eine Frau an die Spitze, sei es am Berg oder in der Wirtschaft, muss sie oft überdurchschnittlich gut sein, um durchzukommen. Ein Durchschnittsmann hingegen wird meistens mitgezogen. 

Im Allgemeinen nervt mich die Rollenverteilung unserer Gesellschaft. Es sollte keine geschlechterspezifischen Jobs geben. Auch Männer in Frauenberufen haben es schwer, wie z.B. im Pflegeberuf oder in der Kinderbetreuung, auch ihren Bedürfnissen sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gleichberechtigung und Emanzipation funktioniert nur, wenn sie von Frauen und Männern gelebt wird.

Danke an Ariane für das spannende Interview!